Mnemosina e.V. - Verein für europäische Erinnerungskultur

Tschernobyl-Erinnerungsarbeit

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Tschernobyl-Erinnerungsarbeit

“CHERNOBYL” IS A WORD WE WOULD ALL LIKE TO ERASE FROM AUR MEMORY...

YET THERE ARE TWO COMPELLING REASONS WHY THIS TRAGEDY MUST NOT BE FORGOTTEN.

FIRST, IF WE FORGET CHERNOBYL WE INCREASE RHE RISK OF MORE SUCH TECHNOLOGICAL AND ENVIRONMENTAL DISASTERS IN THE FUTURE...

SECONDLY, MORE THAN SEVEN MILLION OF OUR FELLOW HUMAN BEINGS DO NOT HAVE THE LUXURY OF FORGETTING. THEY ARE STILL SUFFERING...

KOFI ANNAN

(UN-GENERALSEKRETÄR 1997 - 2006, FRIEDENSNOBELPREISTRÄGER)

 

 

Am 26. April 2011 jährte sich der Reaktorunfall von Tschernobyl zum 25. Mal. Die Kernreaktorschmelze im Block 4 des Atomkraftwerks am 26. April 1986 führte zu einer Katastrophe von einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß: Es wurde ein Vielfaches mehr an Radioaktivität freigesetzt als bei dem Bombardement von Hiroshima und Nagasaki. Eine Fläche von 150.000 km2 in Belarus, der Ukraine und im Westen Russlands, auf der zum Zeitpunkt des Unglücks rund 7 Millionen Menschen lebten, ist seitdem radioaktiv kontaminiert. (Dies entspricht ungefähr der Gesamtfläche der deutschen Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zusammen.)

 

Für die Katastrophenbekämpfung, d.h. von den akuten Löscharbeiten bis zur Errichtung des sogenannten Sarkophags, wurden allein ca. 600.000 bis 800.000 Menschen als „Liquidatoren“ eingesetzt, die vor allem im ersten Jahr der Lösch- und Aufräumarbeiten einer unvorstellbar hohen Strahlenbelastung in unmittelbarer Nähe des AKWs ausgesetzt waren. Über das Schicksal dieser Menschen, von denen nur ein Teil als Katastrophenhelfer offiziell registriert wurde, ist bisher wenig bekannt, aber nach seriösen Schätzungen ist von mindestens 50.000 Todesfällen in den letzten 20 Jahren allein in dieser Gruppe auszugehen.

 

Unabsehbar sind die gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung der verstrahlten Gebiete, die einer mittlerweile niedrigeren, aber dauerhaften radioaktiven Belastung durch die Nahrungskette ausgesetzt ist. Ein signifikanter Anstieg des äußert seltenen Schilddrüsenkrebses bei Kindern und Erwachsenen um das zum Teil 100fache des Normalwerts, der in manchen Regionen bereits fünf Jahre nach der Katastrophe registriert wurde, ist eine direkte Folge von Tschernobyl nach der Aufnahme von radioaktivem Jod in den ersten Tagen der Reaktorkatastrophe. Viele andere, vielfach chronische Krankheiten vor allem bei Kindern (Herz-Kreislauf, organische Dysfunktionen) bis hin zu Missbildungen bei Neugeborenen prägen das Bild.

 

Vor den tragischen Ereignissen in Japan und im AKW Fukushima im März 2011 drohten sowohl das Ereignis in Tschernobyl als auch die Opfer der Verstrahlung und die Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche in Vergessenheit zu geraten, wiewohl die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Unglücks gravierend und

aktuell bleiben.

Der radioaktive Fallout machte in einer stark agrarisch geprägten Region große landwirtschaftliche Flächen für die Nutzung unbrauchbar. Dennoch werden aufgrund des wirtschaftlichen und sozialen Niedergangs der Region vielfach nach wie vor Lebensmittel für den Eigenbedarf angebaut. Die Perspektivlosigkeit und Verzweiflung der Bevölkerung leistet Verelendungsphänomenen wie Alkoholmissbrauch, Gewalt etc. enormen Vorschub. Umsiedler aus den verstrahlten Gebieten, die nach ihrer Umsiedlung mit Arbeitslosigkeit und sozialer Isolation konfrontiert sind, kehren nach Jahren wieder freiwillig in ihre verstrahle Heimat zurück. Bürgerkriegsflüchtlinge aus verschiedenen Republiken der ehemaligen Sowjetunion bilden inzwischen eine zahlenmäßig relevante Gruppe innerhalb der Bevölkerung in den verstrahlten Regionen. Demgegenüber steht von offizieller Seite, etwa in Belarus unter Führung des derzeitigen Präsidenten Lukaschenko, eine Politik der Verharmlosung, die die Irreversibilität der Kontamination durch „Sanierungsprogramme“ leugnet und eine schrittweise wirtschaftliche Wiedernutzung der Region anstrebt, wiewohl z.B. beim Zerfall des radioaktiven Isotops Cäsium-137 erst im Jahr 2016 die Halbwertszeit erreicht wird, von anderen Isotopen wie Plutonium mit jahrtausendelangen Halbwertszeiten nicht

zu sprechen.

 

Angesichts dieser Dimension muss man feststellen, dass Tschernobyl und die Folgen bis heute nicht adäquat im öffentlichen Bewusstsein verankert sind, nämlich als jener „Ernstfall“ anthropogener Katastrophen von unbewältigbarem Ausmaß, der sich in Fukushima derzeit zu wiederholen droht. Es scheint sich das Wort von Peter Sloterdijk zu bewahrheiten, daß es keine „Katastrophenpädagogik“ gibt.

 

Angesichts dieses, jeder Katastrophe innewohnenden kollektiven Verdrängungsmoments, das bis zur Leugnung von evidenten Fakten reicht, ist Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit unverzichtbar, auch wenn sie sich der „Ohnmacht der Pädagogik“ bewusst bleibt.

 

Der Verein Mnemosina e.V. betrachtet es daher als eine seiner Aufgaben, an der Ausbildung eines weiterreichenden Gedächtnisses an die Katastrophe durch Informationen, Veranstaltungen und Publikationen mitzuwirken.

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