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Jüdisch-orientalischer Musikworkshop

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„Erinnere Dich mit einem Lied“

Jüdisch-orientalischer Musikworkshop „Erinnere Dich mit einem Lied“

5. März 2017 im Studienhaus der VHS in Köln

Gefördert vom Landesmusikrat NRW – Projekt „Brückenklang“

 

Lieder und Weisen, die thematisch um die Erinnerung - an Menschen, Landschaften, ihre Geschichten - kreisen, sind besonders geeignet, anderen Kulturen eine anschauliche Gestalt zu geben. Sie laden ein, Fremdes kennenzulernen, sie bewegen und prägen sich ein.

 

Mnemosina e. V. hat die Konzeption des jüdisch-arabischen Musikworkshops vom jüdischen Kulturverein Milch & Honig e. V. Köln übernommen und weiterentwickelt. Das Besondere an dem interkulturellen Projekt „Erinnere Dich mit einem Lied“ ist die Vorbildfunktion der Zusammenarbeit zwischen irakischen, kurdischen, jüdischen und deutschen Musikern. Insbesondere heute, wo das in der Öffentlichkeit präsentierte Bild der orientalischen Welt von kriegerischen Szenarien über Fluchterlebnisse bis zu religiösen Sitten und Ritualen dominiert wird, kann die Konzentration auf eine für alle Menschen bedeutsame kulturelle Praxis, wie das Musizieren, demonstrieren, dass und wie ein Miteinander konkret möglich ist. Unterschiedliche Menschen und verschiedene Religionen haben heute ihr Zuhause in Deutschland, und dies gilt es offen zu zeigen und praktisch - in unserem Fall musikalisch - vor- und mit-zuleben.

 

 Die Teilnehmer kamen aus ganz NRW und bereicherten den Workshop mit ihren verschiedenen Instrumenten, ihren Stimmen, ihrer Fähigkeit zu improvisieren und aufeinander zu hören.

 

Das Programm, das von zwei drei viertelstündigen Pausen unterbrochen wurde, teilte sich in fünf Abschnitte: Workshop, Konzert, Workshop, Konzert und Tanzkurs. Für alle Teilnehmer standen die Noten der Lieder aus dem jüdischen und dem orientalischen Teil mit Notation, Originaltext und Übersetzung zur Verfügung.

 

Sowohl die professionellen Interpreten als auch die Laienmusiker, die durch die Veranstaltung führten, sind seit langem in Deutschland ansässig und entwickelten hier ihren jeweils eigenen, von ihren kulturellen Wurzeln bestimmten, im Austausch mit westeuropäischen Traditionslinien verfeinerten, musikalischen Stil. Sie repräsentieren mit ihren Ideen und Fähigkeiten geradezu musterhaft die von allen Seiten herbeigewünschte Integration und haben zudem ihre pädagogische Eignung wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

 

Saad Thamir, wiedergefundene Lieder aus Mesopotamien

Ausgehend von traditionellen Themen entwickelt der Komponist und Interpret einen neuen Blick auf die klassische irakische Musik. Er greift in seinen Improvisationen und Kompositionen verschiedene Musikformen auf, die in den vergangenen 50 Jahren von irakischen Musikern vernachlässigt worden sind. Dies sind Lieder längst vergessener Zeiten oder Klagegesänge, die ausschließlich in der Frauenweit existieren. Die bis zu tausend Jahre alten Melodien klingen für das heutige Ohr fremd, doch werden sie durch die Bearbeitungen von Saad Thamir den zeitgenössischen arabischen und europäischen Ohren näher gebracht. Aus den Erfahrungen des vergangenen Workshops hat sich gezeigt, wie geschickt Saad Thamir die europäischen Instrumente der Teilnehmer einbindet und zur Improvisation auf traditionelle Themen einlädt.

 

Hesen Kanjo (syrische, kurdische, armenische Stücke für Qanun)

Der 1996 aus dem syrischen Aleppo nach Deutschland übergesiedelte Meister der orientalischen Zither (Qanun) begeisterte schon beim ersten Workshop 2016 Mitmusizierende und Zuhörer. Dies dokumentiert auch die aktuelle Presse in einem Bericht über das im Oktober 2016 veranstaltete Zitherfestival, auf dem Kanjo gemeinsam mit bayerischen und österreichischen Interpreten auftrat: „Der begnadete Virtuose spielte seine orientalische Version der Zither nicht nur mit zwei, sondern allen zehn Fingern. Dies tat er rasend schnell und bediente dabei überdies die kleinen Hebel zum Wechsel auf die traditionellen heimatlichen Vierteltöne der kurdischen Stücke, die vielfach Frauennamen als Titel trugen. Perlende Harfenklänge schwebten über kräftigen Gitarrenakkorden und glitzernden Melodiebögen, auch in der Interpretation des bekannten israelischen „Hava Nagila“ und der Melancholie eines irischen Volksliedes“ (Tegernseer Zeitung, 10.10.2016)

 

Kol Colé (übersetzt: „Klang aus Köln“)

ist ein internationales und interreligiöses Ensemble, das aus fünf Musikern unterschiedlicher Herkunft (Minsk, Odessa-Jerusalem, Moskau, Kischinjow, und Deutschland) besteht, die sich zusammengetan haben, um ihrer Liebe zur osteuropäischen und jüdischen Musik Ausdruck zu verleihen. Das Repertoire des Ensembles besteht hauptsächlich aus osteuropäischer und sephardischer Folklore, Klezmer, Chansons und Tangomelodien.

Die Klezmer-Musik steht dabei paradigmatisch für eine gelungene Synthese verschiedener kultureller Einflüsse, bei der etwas ganz Eigenes und Unverwechselbares neu entstanden ist.

Im Ausdruck der Musik von Kol Cole wird versucht, die Trennung zwischen den Kulturen der Welt zu überwinden und einen neuen Ausgangspunkt für ein harmonisches menschliches Miteinander zu finden. Die Darbietung osteuropäischer und jüdischer Musik bietet viele Möglichkeiten für einen spannenden interkulturellen Austausch. Besonders vor dem aktuellen Hintergrund der weiterhin starken sozialen Spannungen zwischen dem Westen (Europa bzw. Deutschland) und dem nahen und fernen Osten ist Musik ein Versuch, Frieden im Herzen zwischen West- und Ost herzustellen.

 

Die Chorgruppe probte mit Bella Liebermann (Gesang) und Roman Nedzvedskyy (Klavier) fünf Lieder: „Dos Kelbele“, Tumbalalaika, „Lomir sik iberbetn“, „Ja adonai“, „Vu iz dos gesele“. Hier waren sieben Sängerinnen und ein Sänger aktiv, davon eine Chorleiterin und drei erfahrene Amateure sowie drei Anfänger. Da Bella Liebermann Erfahrungen mit Musikpädagogik für Behinderte hat, konnte sie auch eine Teilnehmerin aus diesem Kreis für den Chor gewinnen, die mit ihrer schönen Stimme mehr als nur „integriert“ wurde. Durch gemeinsames Lesen der jiddischen Texte und erläuternde Übersetzungen schaffte Bella Liebermann, wie auch im letzten Workshop, eine fruchtbare Lernatmosphäre. Ein Teilnehmer, der gut jiddisch spricht, demonstrierte Aussprache-Varianten und eine Sängerin konnte ein Altflöten-Vorspiel in ein Lied einbauen, das sie selbst improvisierte.

 

Beim gemeinsamen Konzert bestand das Publikum aus vielen Bekannten der Musizierenden und einiger spontan interessierter Menschen, die, von den Liedern angezogen, neugierig „hereinschauten“. Den Abschluss machte das von allen drei Gruppen in unterschiedlichen Fassungen eingeübte Lied, das auf Türkisch „Üsküdara“, auf Arabisch „Ja athuli“, in der hebräischen Folklore als „Ja adonai“ bekannt und von dem Klezmer-Komponisten Nafthule Brantwein als „Terk in Amerike“ bearbeitet worden ist. Es wurde als krönender Abschluss des Instrumentalteils gemeinsam zum Vortrag gebracht.

 

Dem erfahrenen Musikpädagogen Georg Brinkmann gelang es in seinem anschließenden Workshop für Klezmertanz innerhalb kürzester Zeit – mit musikalischer Unterstützung durch die Band Col Kolé – allen tanzfreudigen Teilnehmern ein Grundverständnis für die Rhythmik dieser Gruppentänze und die fachgerechte Körperhaltung zu vermitteln. Da die Schrittfolgen ebenfalls nicht schwer zu erfassen waren, galt seine Sorgfalt der Vermittlung der unterschiedlichen Figuren (es wurde in einer großen bzw. zwei spiegelbildlich agierenden Kleingruppen und in Paaren getanzt), wobei er durch geschickte Abfolge schneller bzw. ruhiger Tänze nur eine einzige längere Verschnaufpause für die Teilnehmer benötigte. Die letzte halbe Stunde verschmolz dann scheinbar zu einem einzigen Tanz mit immer neuen Figuren in der großen Gruppe, bis man in der Spiegelwand des Tanzsaales nur noch glücklich verschwitzte Gesichter sehen konnte.

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