Alle Übersetzungen von Zwetajewas Gedichten stammen von © Ralph Jährling.
Meine Verse, früh geschrieben,
unbewußt eines Poeten,
wie Fontänenspritzer stieben,
funkengleich, wie aus Raketen,
kleine Teufel, eingedrungen
in geweihtes Traumeswesen,
meine Jugend-, Todeszungen,
– Verse, ungelesen! –
In der Läden Staub sich streu’n.
(Niemand nimmt sie weit und breit!)
Meine Verse: edler Wein.
Es wird kommen ihre Zeit!
13. Mai 1913, Koktebel
O Klagemuse, schönste aller Musen, du!
O Furie, du, aus einer weißen Nacht entsprungen!
Du deckst mit einem schwarzen Schneesturm Rußland zu,
dein Klageschrei ist Pfeilen gleich in uns gedrungen.
Und in uns bäumt sich alles auf. Und dumpfes Och! –
vielhunderttausendfach – es schwört den Eid dir: Anna
Achmatowa! So groß wie dieser Name doch,
fällt dieser Seufzer in die Tiefe, unbenambar.
Uns krönt allein, daß gleiche Erde wir mit dir
betreten, über uns der gleiche Himmel schwebt!
Und jener, der verwundet, weil du sterblich hier,
unsterblich schon vom Sterbelager sich erhebt.
In meiner Stadt, der klingenden, die Kuppeln glühn,
wer wandert als ein Blinder, preist dies helle Zeichen…
Ich gebe meine alte Glockenstadt dir hin,
- Achmatowa! – dazu mein Herz will ich ´dir reichen.
1916
S.E.
Ich schrieb’s auf eine Schiefertafel auf,
auf Blättchen aus verblaßter Fächergaze,
auf Sand an Meeren, an der Flüsse Lauf,
auf Eis mit Schlittschuhn, mit dem Ring ins Glase, –
Auf Rinde, alt, vielhundert Winterjahr…
Zuletzt, – damit ich es mit allen teile! –
daß du geliebt, geliebt bist, immerdar! –
schrieb ich’s als Himmelsregenbogenzeile.
Wie wünschte ich, daß jede ganz erblüht
mit mir, durch meine Finger und für ewig!
Und wie, die Stirn zum Tische hin bemüht,
danach den Namen ich mit Kreuzen wegstrich…
Doch du, in käuflich Hand des Schreiberlings
gequetscht, daß durch mein Herz mir geht ein Schauern!
bleibst unverkauft! im Innern, mir, des Rings!
wirst auf Gesetzestafeln dauern.
18. Mai 1920
Nichts retten werden Stanzen, Sternenbilder.
Und dies nennt man die Strafe – und nicht milder
Dafür, daß ausnahmslos
Ich aufrecht über Verses Widrigkeiten
Nur suchte über meiner Stirne Weiten
Nicht Augen, – Sterne bloß.
Daß ich auf Treu als Herrn Sie anerkannte, –
Ach, schöner Eros, niemals mich’s verlangte
Nach Ihnen eine Stund!
Daß mir im Weihrauch, von der Nacht umfangen
Die leicht gerötet zärtlich Lippen rangen –
Um Reim und keinen Mund.
Ich war – wie Schnee den schlimmsten Richtern, Strafe
Dafür, daß ich mit meinem Herzen schaffe –
Ewig Apotheose!
Daß Aug‘ in Auge mit des Ostens Frühe
Ich mühte mich auf meiner Stirne Höhe
Um Morgenrot, nicht Rose!
20. Mai 1920
Umsonst ich bohre nagelgleich
mit meinem Aug’ im Schwarzerdreich.
Weiß – treuer als ein Nagel sticht –:
Du bist nicht hier – und bist du nicht.
Umsonst ich wühle, wenn ich wend’
Das Auge durch das Firmament:
Nur Regen! Wasserkübeldicht.
Du bist nicht dort – und bist du nicht.
Nein, beides mir nur eins beweist:
Bloß Knochen oder nichts als Geist!
Wo du? Wo jener? Selber schier?
Zu sehr nur dort – zu sehr nur hier.
Ich tausch’ dich nicht mit Dunst und Sand.
Den ich mir nahm, weil mir verwandt,
für Leib, für Geist nur, geb’ nicht fort.
Hier – zu sehr hier, dort – zu sehr dort.
Nicht du – nicht du – nicht du – nicht du,
trotz Popensingen immerzu,
daß Tod ist Leben, Leben Tod –
Der Wurm bloß Wurm – und Gott nur Gott.
Da Geist und Leib unscheidbar sind,
kein Rauch uns gegen dich gewinnt
vom Weihrauchfaß
für Blumenreih’
vom Grabgelaß.
Und wenn du bist, dann irgendwo
In uns. Euch höchste Ehre so,
mit allem, allen ganz er ging.
Der geht, verachtet Scheidens Sinn.
1935
Lorbeern – wie Stein
Lob Stirn umliegt.
„Mir fällt nichts ein!“
– „Wird schon“ – „Versiegt,
(Haferbrei, weich,
Füttern jetzt mußt!)
Muttermilch gleich –
Laut aus der Brust,
Leer. Nur noch Staub.
Frühling erblüht –
Ast ohne Laub.“
– „Alt ist dies Lied!
Narr, Du, laß sein!“
„Besser ich stoß’
Zukünftig Stein!“
– „Sing dabei bloß!“
„Bin kein Pirol,
Dauernd ich schwing’
Liedchen!“
– „Kannst wohl,
Vögelchen, sing!
Trotzend dem Feind!“
„Wenn ich zum Lied
Zeilen nicht eint’?“
– Wem je’s geriet?!“ –
„Folter!“ – „Dann ächz’!“
„Kehle wie Stroh –
Ausgedörrt!“ – „Krächz’!
Klingt’s eben so!“
„Löwen, nicht Frau’n
Tun das.“ – „Ein Kind:
Völlig zerhau’n –
Orpheus noch singt!“
„Selbst unterm Stein?“
– „Grab noch durchdring’.“
„Mir fällt nichts ein!“
– „Dies dann besing’!“
1935
© Ralph Jährling
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